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Eine abendliche Gedankenreise

8. Dezember 2009

Längst ist die Sonne untergegangen, doch die dichte Wolkendecke, hinter der sich der Himmel verbirgt, fängt die Lichter der Stadt in einem rötlichen Glühen ein und verbereitet eine wundersam anmutende Helligkeit. Ich stehe an der offenen Tür im Hinterhof des Hotels und betrachte ein Stück des Himmels, das von den umliegenden Gebäuden und Dächern schwarz umrahmt wird. In den dunklen Schatten des Hinterhofs glimmt meine Zigarettenspitze und ich mache ein paar halbherzige Kniebeugen, um meinen Kreislauf in Schwung zu bringen. Die Kälte dringt in diesen Tagen bis in unter die Haut, will mir scheinen. Mein Blick wandert immer wieder hinauf zu dem kleinen Stück Himmel und das nächtliche Glühen weckt in mir eine gewisse Faszination. Ich stelle mir vor, wie das nächtliche Leben pulsiert, wie die Menschen in dieser Stadt einander gegenübersitzen, sich in die Augen blicken, lachen, trinken, essen, scherzen und flirten. Wie sie sich amüsieren und sich dem Rhythmus der Nacht hingeben. Augen, die im Kerzenschein funkeln. Kalte Hände, die sich um Becher mit heißem Glühwein schließen. Weihnachtsmarktbuden, aus denen appetitliche Düfte strömen. Bars und Restaurants, die elegant gekleideten Menschen einen mondänen Hintergrund für geistreiche oder auch ganz banale Gespräche bieten. Kinderaugen, die sich auf die allgegenwärtigen Weihnachtslichter heften, die kleinen Hände im sicheren Griff von Mama oder Papa geborgen.

Meine Gedanken wandern umher und streifen über die verschnörkelten Fassaden der Altbauviertel, wo aus vielen Fenstern gemütlicher Lichtschein fällt. In den Wohnungen sitzen die Leute gemütlich beisammen, lümmeln behaglich auf dem Sofa herum oder bereiten das Abendessen zu. Das Flimmern von Fernsehern und der Widerschein von Computermonitoren flackern über Gesichter und fesseln die Blicke und die Gedanken. In vielen Fenstern stehen Lichterbögen, überall sieht man Sterne, Schneemänner und Engel.

So fliegen meine Gedanken immer weiter durch den Abend und durch die Nacht und ich spüre das Leben um mich herum. Schließlich ist der kleine rote Funke meiner Zigarette erloschen und ich gehe wieder nach drinnen, tauche ein in die Wärme und stelle erfreut fest, dass das Wasser schon aufgekocht ist. Den dampfenden Teebecher in der Hand kehre ich zur Rezeption zurück. Es ist still, die meisten Gäste sind noch unterwegs. ‚Driving home for Christmas‘ erklingt aus dem Radio, die Atmosphäre ist gemütlich und auf dem Marmor der Empfangstheke spiegeln sich die Lichter. Noch 1 1/2 Stunden, dann werde ich meinen Heimweg durch die Kälte antreten. Die Innenstadt ist dann schon recht leer, die Geschäfte bereits geschlossen und die letzten Weihnachtsmarktbesucher schlendern heimwärts. Daheim wird mich Leopold mit einem Miauen begrüßen, in das er ein Maximum an Entrüstung legen wird, weil ich es gewagt habe, das Haus zu verlassen. Anschließend wird er seine Schnurrmaschine auf Höchstleistung stellen und sich mit Begeisterung ins allabendliche Kuschelprogramm stürzen. Ich werde mir ein paar Kerzen anmachen, werde mich gemütlich auf mein Sofa kuscheln und werde den Feierabend genießen. Ganz so wie all die anderen Menschen unter dem Nachthimmel.

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